Die Adidas Terrex Agravic Tech Pro können ganz leicht täuschen, sehen sie doch wie Winterstiefel aus – aber sie liefern eine Menge Leistung, in weiterem Einsatz.
Vor Jahren hatte ich Adidas (Terrex, falls das schon existierte) Winterschuhe gekauft, die mir viele Winter für Schneeläufe gute Dienste leisteten, lange bevor es eine schöne Auswahl an Schuhen für diese Nutzung gab.
Wohl verständlich, dass mir auf der ISPO Munich 2020 (während COVID gerade erst anfing, sich auszubreiten) am Adidas-Stand die Agravic Tech Pro aufgefallen waren.
Die Adidas Terrex Agravic Tech Pro sind ein ziemlich spezielles Schuhwerk: Sie sehen aus wie Stiefel, sind aber sehr viel mehr Schuh; sie sind im Vergleich zu Trailrunning-Schuhen recht schwer, laufen sich aber sehr bequem.
Der Look
Ich muss frei heraus zugeben, dass die Schuhe mir auch darum so gut gefallen haben, weil sie Blicke auf sich ziehen. Sie sollten das eigentlich nicht, so simpel und solide, wie sie gebaut sind. Etwas hat ihre Konstruktion, die wie aus einem Stück aussieht, aber an sich, das sie herausstehen lässt.
Das ist kein hoher Schuh!
Dieselbe solide Konstruktion führt auch ganz leicht in die Irre: Die Art, wie das Obermaterial die Schuhe umgreift und sich nahtlos als Gamasche emporzieht lässt die Tech Pro wie einen Stiefel aussehen.
Wirklich aber liegt dieses Obermaterial über etwas, was vielmehr ein – immer noch stabil gebauter – niedriger Traillaufschuh ist.
Der Tech Pro schützt gut genug, aber er ist nicht der hohe Schuh (geschweige denn, Stiefel) für den man ihn halten könnte.
Schneller und schützender Aufbau
Die Konstruktion ist für den intendierten Zweck schneller Läufe (oder des Stapfens durch Schnee, je nachdem, was die Bedingungen halt verlangen) fantastisch.
Der innere Schuh ist bequem; die Zunge ist ein wenig gepolstert und ein Teil eines sockenartigen Liners, der den Fuss angenehm umschliesst und hält.
Hinten hat der innere Schuh eine Lasche, mit der man sich schön beim An- oder Ausziehen helfen kann (und die mir noch nie im Schuh in die Quere gekommen ist).
Zuerst gibt es dann einen Zippverschluss, der an der Oberseite des Fusses anfängt und an der Seite des Knöchels vorbei nach oben läuft, womit man die „Gamasche“ über dem Schuh schliesst.
Ganz oben macht dann ein Klettverschluss endgültig zu, um gegen Schnee oder Schmutz zu schützen.
Boa-Schnürsystem
Solche Schuhe mit eingebauter Gamasche haben oft das Problem, dass man entweder die Schnürung ungeschützt exponiert behalten muss oder sie nicht so leicht zugänglich ist. Adidas hat das Problem bei den Tech Pro auf eine Art gelöst, die mir sehr zusagt: Mit einem Boa-Schnürsystem.
Um den (inneren) Schuh enger zu schnüren hat der Agravic Tech Pro ein Boa-Schnürsystem mit Stellrad an der Aussenseite.
Aussen am oberen Teil des inneren Schuhs gelegen sind diese Rädchen an der perfekten Stelle, um sie leicht erreichen und nachstellen zu können, ohne dass sie jemals störend an irgendetwas am Weg anstossen. Sie sind auch mit Handschuhen angenehm zu bedienen – und ich liebe es, wie sie in entgegengesetzte Richtung drehen, links bzw. rechts, so dass man sie mit einer Bewegung dreht, die sich ganz natürlich anfühlt.
Zum Engerstellen dreht man einfach ein Stück weiter; hebt man das Rädchen, dann kann man die Schuhbänder leicht lockern; kurzer Druck hinunter und sie bleiben so oder können wieder enger gedreht werden.
Eines des Boa-Stellrädchen scheint inzwischen doch von all dem Druck, dem es auf hunderten von Kilometern ausgesetzt wurde, angegriffen, aber mit ein wenig Zureden (sprich, mit ein wenig Zug auf den Schuhbändern bzw. eigentlich auf der Zunge der Schuhe, wenn man sie geöffnet hat), öffnet es immer noch.
Lockern und enger ziehen lässt es sich für kleinere Anpassungen während des Laufens ohnehin.
Wasserresistenz und weite Nutzung
Das Obermaterial / die Gamasche ist nicht wasserdicht, sondern nur wasserresistent, aber selbst das könnte eine gute Entscheidung gewesen sein.
Den Agravic Tech Pro habe ich etwa für den Ötztal Gletscher Trailrun genutzt, obwohl der im Sommer stattfindet.
Die Entscheidung fiel leicht, hatte ich doch gesehen, dass man oft Schneefelder und Bachläufe queren müsste.
Das Schlimmste, was an den Tech Pro zu bemerken war, wenn es im Laufschritt durch Schnee ging, war leichte Feuchtigkeit – was schon alleine durch mein Schwitzen passieren könnte – aber niemals Nässe.
Es gab etwas Gefühl der Kühle, aber nicht mehr.
Dementsprechend auch diese Schuhwahl für das Rennen ums Ötztal, obwohl das in der Mitte des Sommers war. Verschwitzt habe ich mich in den Schuhen nie gefühlt, aber ich konnte sorglos mit ihnen durch Bachläufe platschen.
Komfortable Dämpfung, angenehme Langdistanzen
Der Komfort der Schuhe ist dabei auch grossartig.
Wie anfangs erwähnt, sind sie nicht die leichtesten; in der Grösse, von der sie ihre Gramm-Markierung haben (kleiner als meine) wiegen sie schon ihre 420 Gramm. Meine müssten also noch ein wenig schwerer sein.
Mit einer guten Portion Boost-Schaum, aber doch noch weit entfernt von „Maximaldämpfung“, schützt die Sohle gut und schenkt Vortrieb, während man noch immer genug vom Untergrund fühlt, um sicher von Stein zu Stein springen zu können.
Erfahrungen
Bei viel Auf-und-Ab, vielen Felsen und langen Distanzen auf Schutt und Schotter wie auch auf gepflasterten Wegen, da habe ich das lieben gelernt.
Mit den Tech Pro war ich so beim Ötztal Gletscher Trailrun unterwegs, davor bei einer persönlichen kleinen Ultradistanz-Unternehmung, die auf Skipisten begann und gute 50 km später auf asphaltierten Radwegen endete.
Und auf zahlreichen lokalen Winterläufen war ich mit diesen Schuhen unterwegs.
Das Einzige, wessen ich mir nicht ganz sicher bin, ist das Marketing, das die Terrex Agravic Tech Pro anscheinend am liebsten beim Trailrunning irgendwo im Himalaya, über winterliche Schneefelder, sehen würde… Andererseits aber würde ich diese Schuhe wohl, würde ich in eine derartige Gegend und in Bedingungen kommen, in denen ich würde laufen wollen, ohne eine Sekunde des Zögerns einpacken.
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